Switzerland: Basel sells looted antiquities

Two articles from the Basler Zeitung (also here), written by Raphael Suter, October 31,

Um die Verfahrenskosten zu decken, verkauft der Kanton Basel-Stadt einige Kunstgegenstände unsicherer Provenienz. Macht sich der Staat so nicht selber zum Hehler?

Die italienische Polizei hat über 5000 Gegenstände sichergestellt.

The Italian police confiscated over 5000 archaeological objects.

Die rechtliche Situation ist klar, die moralische sehr viel komplexer. Obwohl die Fachleute genau wissen, dass Topstücke wie die beiden attischen Lekythoi aus Raubgrabungen stammen müssen, lässt sich deren Herkunft nicht nachweisen. Deshalb gehen über 1000 antike Kunstgegenstände an eine Händlerin zurück, der die Basler Staatsanwaltschaft vorwirft, dass sie über die Raubgrabungen genaustens Bescheid wusste. So weit, so ungut.

Doch um die Verfahrenskosten zu decken, verkauft der Kanton Basel-Stadt jetzt einige dieser wertvollen Zeitzeugnisse unsicherer Provenienz. Auch sie wären sonst an die kriminelle Antikenhändlerin zurückgegangen, lässt sich argumentieren. Und der Kanton hätte auf die Schuld verzichten müssen.

Trotzdem drängt sich die Frage auf, ob sich der Staat so nicht selber zum Hehler macht. Obwohl bislang niemand Anspruch auf die Vasen erhoben hat, bewegt sich Basel hier in einer rechtlichen Grauzone. Nach dem Wirbel in London werden die beiden Antiken ohnehin toxisch. Kein seriöser Sammler, kein Museum wird sie kaufen.

Hat Basel wirklich alles getan, um den rechtlichen Spielraum auszuschöpfen? Wurden alle Instanzen und Fachleute in Italien und Griechenland kontaktiert? Der Verkauf der beiden Vasen ist sicher die einfachste Lösung. Nur ist damit Basel einmal mehr als umstrittener Handelsplatz antiker Kulturgüter ins internationale Rampenlicht gerückt worden. (Basler Zeitung)

Illegal provenance was proven for 4/5 of all items. The remaining fifth has to be restituted to the antiquity dealer.

Die illegale Herkunft konnte nur bei vier Fünfteln der beschlagnahmten Gegenstände nachgewiesen werden. Der Rest der verbleibenden Sammlung geht an die Antikenhändlerin zurück.

An der Londoner «Frieze Master» Messe sah ein Student des Archäologen Christos Tsirogiannis am Stand des Basler Antikenhändlers Jean-David Cahn zwei prächtige attische Lekythoi aus Marmor. Diese dienten ursprünglich zur Aufbewahrung von Olivenöl, aber auch als Grabbeigaben. Das Alter der beiden Vasen, die jeweils über 100’000 Pfund kosteten, wurde im vierten Jahrhundert vor Christus angesiedelt. Nähere Angaben über die Provenienz fehlten allerdings.

Das machte Tsirogiannis stutzig, der am Scottish Centre for Crime and Justice Research, Department of Criminology, der Universität Glasgow tätig ist. Er ist spezialisiert auf antike Raubkunst und hat Zugang zu den Archiven der italienischen und griechischen Kunstraubdezernate.

Hier finden sich auch Dokumente über einen der grössten Kunstraubfälle der Gegenwart, dessen Spuren nach Basel führen. Der gebürtige Sizilianer Gianfranco Becchina betrieb in den frühen Siebzigerjahren am Blumenrain in Basel die auf antike Kunst spezialisierte Galerie Palladion Ancient Art. Der Handel florierte prächtig, denn damals fragten sowohl Sammler wie auch Museen noch nicht sehr genau nach der Herkunft der Stücke. So deckten sich Sammler wie George Ortiz, Auktionshäuser und Museen wie der Louvre oder das Getty Museum in Malibu bei ihm ein.

Die meisten seiner Kunstobjekte stammten allerdings aus Raubgrabungen in Italien und Griechenland. Unter den Autositzen wurden Gegenstände in die Schweiz geschmuggelt. Um sie besser transportieren zu können, wurden sie teilweise zertrümmert und in Basel wieder zusammengesetzt. Schliesslich flog der Ring von Schmugglern und Händlern in Italien auf und im Zuge ihrer Ermittlungen schalteten die italienischen Behörden auch die Basler Polizei ein. In fünf Lagern Becchinas wurden daraufhin Tausende Kunstgegenstände, Fotografien und Dokumente beschlagnahmt.

Neben Becchina spielte auch seine damalige Frau Ursula-Marie Becchina-Juraschek eine wichtige Rolle bei diesem illegalen Kunsthandel. «Von Beginn an wusste die Beschuldigte von der illegalen Herkunft dieser Gegenstände, war sie doch im Zeitraum der Einfuhren bei ihrem Ehemann Mitarbeiterin mit Einzelunterschrift und über seine Geschäfte vollumfänglich informiert», heisst es in einem Bericht der Basler Staatsanwaltschaft. Trotz dieser schweren Anschuldigungen musste das Verfahren wegen Verjährung und aus Mangel an Beweisen eingestellt werden. Ihr früherer Ehemann, Gianfranco Becchina, geniesst seine Altersruhe [jetzt nicht mehr ganz!] unbehelligt auf einem Landsitz in der Toskana.

Nicht nur, dass die dubiose Antikenhändlerin ungestraft davonkommt, sie erhält auch noch zahlreiche antike Objekte zurück. Denn die illegale Herkunft konnte nur bei vier Fünfteln der beschlagnahmten Gegenstände nachgewiesen werden. Bei 1287 Gegenständen konnte nicht geklärt werden, woher sie genau stammen, auch wenn in den meisten Fällen logisch ist, dass sie durch Raubgrabungen ans Tageslicht gekommen sind. Trotzdem müssen sie jetzt an die Beschuldigte herausgegeben werden.

Da jedoch Ursula-Marie Becchina-Juraschek die ihr vom Gericht auferlegten Verfahrenskosten nicht zahlen wollte oder konnte, beantragte das Basler Betreibungsamt den Arrest der antiken Gegenstände. Mit dem Verkauf der wertvollsten Stücke sollte diese Schuld beglichen werden. Dies ist nun offenbar geschehen. Der Vorsteher des Konkursamtes, Gerhard Kuhn, bestätigte der BaZ, dass mehrere Objekte verkauft worden sind und das Verwertungsverfahren abgeschlossen ist. Der grosse Rest der verbleibenden Sammlung geht nun an die Antikenhändlerin zurück.

Zwei Stücke aus diesem Konvolut sind an der Frieze Masters in London aufgetaucht und sorgten dort für grosses Aufsehen. Sowohl der Guardian wie die London Times berichteten darüber. Denn Christos Tsirogiannis konnte die Lekythoi aufgrund beschlagnahmter Dokumente klar dem Becchina-Bestand zuweisen. Der Kunsthändler Jean-David Cahn hatte dazu einzig vermerkt, dass sie aus dem Schweizer Kunsthandel stammen, ohne Becchina zu erwähnen. Dem Guardian erklärte Cahn, dass er die beiden Vasen im Auftrag des Kantons Basel-Stadt verkaufe, was allerdings von Gerhard Kuhn dementiert wird. Cahn sei nur bei der Schätzung der Objekte beigezogen worden, die dann an eine Person – nicht Cahn – verkauft worden seien. Über den Verkaufspreis und den neuen Besitzer wollte der Vorsteher des Konkursamtes keine Angaben machen.

Die BaZ versuchte Jean-David Cahn gestern erfolglos telefonisch in New York zu erreichen, wo er an der Tefaf Fall ausstellt. Er gehört der International Association of Dealers in Ancient Art (IADAA) an, die 1993 in London gegründet worden ist. Die Mitglieder halten sich «an einen bindenden Verhaltenskodex, der entwickelt wurde, um den Interessen ihrer Kunden und der Erhaltung von Kulturgütern zu dienen». Die IADAA arbeitet mit dem Art Loss Register zusammen, der weltweit grössten Datenbank von gestohlenen Kunstwerken. Seit 1996 prüft jedes Mitglied der IADAA bei allen Objekten von einem Verkaufswert von mehr als 5000 Euro, ob sie im Art Loss Register als gestohlen gemeldet sind. Allerdings werden hier nur bereits bekannte Objekte erfasst, die aus Sammlungen und Museen gestohlen worden sind. Bei unklaren Provenienzen empfiehlt die Association die nötige Zurückhaltung.

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